Wirtschaftsregion Basel: Noch mehr Unsicherheit führt zur Verschärfung der Krise

Offener Brief an die nationalen Parlamentarierinnen und Parlamentarier

Geschätzte Damen und Herren Ständeräte und Nationalräte

Mit grosser Besorgnis haben wir Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaftsregion Basel
den nationalrätlichen Entscheid zur Einführung eines Dividendenverbots bei Kurzarbeit für die
Jahre 2019 und 2020 mit Rückwirkung zur Kenntnis genommen. Wir danken dem Ständerat,
dass er den Entscheid des Nationalrats gestern korrigiert hat.

Nichtsdestotrotz sind wir besorgt darüber, dass unser nationales Parlament in der aktuellen
herausfordernden Zeit dazu tendiert, Politik zu betreiben, die zusätzliche Unsicherheiten schürt
und den wichtigsten Standortfaktor der Schweiz, die Rechtssicherheit und unseren starken
Rechtsstaat, massiv schwächt. Der Entscheid des Nationalrats hätte immense Auswirkungen
gehabt. Uns fehlten grundsätzliche Überlegungen und diese fehlen uns auch in der Diskussion
um den geplanten politischen Eingriff in das Mietrecht gegen Vermieter. Wir erlauben uns
deshalb, Ihnen einen offenen Brief zukommen zu lassen.

Bis anhin handelten Bundesrat und die Mehrheit der Politik trotz aller Schwere der getroffenen
Entscheide besonnen und unter Einhaltung von wichtigen wirtschaftspolitischen Leitlinien. So
sicherte der Bundesrat bei den bisherigen notrechtlichen Eingriffen und Massnahmen ab, dass
die vom Lockdown betroffene Angebotsseite – die Unternehmen – direkt gestützt wird und
Kettenreaktionen möglichst vermieden werden. Dies durch Massnahmen wie
Überbrückungskredite und in gewissen Kantonen mit Auszahlung von Soforthilfen, damit auch
Mieten und weitere Kosten gedeckt werden können. Mit der Ausweitung der Kurzarbeit wurde
das Instrument zum Erhalt der Arbeitsplätze gestärkt. Diese Massnahmen sind von grosser
Bedeutung. Sie verfolgten ausschliesslich das Ziel, die negativen Externalitäten der Krise zu
beheben und nicht mehr. Es zählte zudem, dass nicht zusätzliche Unsicherheiten geschürt
werden, die weitere Flächenbrände in bisher wenig betroffenen Branchen und Unternehmen
auslösen und damit die Rezession erschweren könnten.

Das änderte sich mit dem Entscheid des Nationalrats zum Dividendenverbot bei Kurzarbeit. Die
Politik unter Covid-19 greift mit einem solchen Entscheid nicht «nur» in unmittelbar drohende
schwere Störungen der öffentlichen Ordnung ein, wie dies das Notrecht vorsieht. Nein, die
Politik greift damit in unserem demokratischen Rechtssystem auch in Aktienrecht und
Eigentumsrechte ein und führt grosse neue Unsicherheiten herbei. Die Rechtssicherheit wird
durch einen politischen Entscheid ausgehöhlt.

Die Mehrheit des Nationalrats verkannte dabei, dass sie damit nicht die aus sozialistischer Sicht
sogenannt «Bösen/Reichen» trifft, sondern breite Teile der Wirtschaft und Gesellschaft. Wir
möchten Ihnen deshalb die Konsequenzen und Tragweite eines solchen Verbots exemplarisch
für weitere Entscheide aufzeigen:

Für das Geschäftsjahr 2019 wurden bereits rechtsgültig und zulässigerweise Dividenden
ausgeschüttet. Sie stammen aus in den Unternehmen versteuerten Gewinnen und werden bei
den Empfängern im Steuerjahr 2020 wiederum der Einkommenssteuer unterworfen. Zudem hat
die ausschüttende Gesellschaft 35% Verrechnungssteuer an die Eidgenössische Steuerverwaltung
überwiesen, welche dann die Dividendenempfänger im Rahmen ihrer Staatssteuerveranlagung
wiederum zurückerstattet erhalten, wenn die Deklaration korrekt abgelaufen ist.

Mit einer rückwirkenden Regelung müssten also auch die Steuerfolgen rückabgewickelt oder
kompensiert werden. Bund und Kantone müssten Steuerrückzahlungen machen oder für
spätere Jahre gutschreiben. Wie soll zudem eine Gesellschaft die Dividende aus dem Ausland
zurückholen, wenn diese dort besteuert wird und gleichzeitig die Schweiz die dazugehörige
Sockelsteuer vereinnahmt hat? Wie soll die Steuerlast im Ausland kompensiert werden?
Belasten wir all diese Unternehmen mit zusätzlicher Bürokratie statt mitzuhelfen, ihre
Arbeitsplätze zu halten, ihre Kosten im Griff zu haben, möglichst produktiv zu sein und die
Wirtschaftsleistung wieder zu beschleunigen? Ein rückwirkendes Dividendenverbot ist
schlichtweg nicht praktikabel, entzieht dem Markt Liquidität und gefährdet die Reputation des
Wirtschaftsstandortes und des Finanzplatzes Schweiz massiv.

Natürlich zeugt es von wenig politischer Sensibilität, wenn Unternehmen mitten in der Krise
verkünden, die Dividenden für das Jahr 2019 auszuzahlen und gleichzeitig Kurzarbeit zu
beantragen. Jedoch hängen die Kurzarbeit als Instrument zum Erhalt der Arbeitsplätze im Jahr
2020 und die Dividendenausschüttung für das Jahr 2019 nicht zusammen, weil Kurzarbeit
nichts mit Liquidität sondern mit dem Erhalt der Arbeitsplätze zu tun hat. Und betreffend
Sicherung der Liquidität gibt es bereits ein Verbot für Dividendenzahlungen, nämlich für all jene
Unternehmen, die einen Überbrückungskredit in Anspruch genommen haben. Dieses Verbot
unterstützen wir, es ist inhaltlich korrekt. Dies im Gegensatz zu einem Verbot der Dividendenauszahlung
bei Kurzarbeit.

Zu beachten ist auch: Bereits unter geltendem Recht sind Dividenden in einer Höhe, welche die
Unternehmung gefährden könnten, gesellschaftsrechtlich nicht zulässig und als Sorgfaltspflichtverletzung des Verwaltungsrates zu qualifizieren, wenn sie nicht erst durch die Generalversammlung über dessen Vorschlag hinaus beschlossen worden sind. Insbesondere dort, wo Verwaltungsräte und Gesellschafter die gleichen Personen sind, ist die erhöhte Haftung in allen
Fällen gegeben.

Man bedenke auch das Zeichen mit Blick auf die nächste Pandemie, die in kürzerem zeitlichem
Abstand vorausgesagt wird. Die Unternehmen werden möglicherweise besser fahren, wenn sie
die Arbeitnehmenden umgehend entlassen, als deren Arbeitsplätze über eine Kurzarbeitsentschädigung zu erhalten. Dies, um nicht Gefahr zu laufen, plötzlich von einer neuen Regelung des Parlaments eingeholt zu werden, mit der sie verpflichtet werden sollen, rechtlich völlig korrekt für Vorjahre ausbezahlte Dividenden im In- und Ausland zurückzufordern. Dies auch,
um nicht Gefahr zu laufen, wichtige Kapitalgeber zu verlieren, weil diese nicht mehr so auf die
Schweizer Rechtssicherheit vertrauen können, wie dies bis anhin der Fall war. Der nationalrätliche
Entscheid gefährdete das Erfolgsmodell der Kurzarbeit zum Erhalt der Arbeitsplätze.

Wir danken Ihnen, dass Sie unsere Ausführungen zur Kenntnis genommen haben. Wir bitten
Sie, mit Ihren politischen Entscheidungen – auch beim Thema Geschäftsmieten – keine neuen
Flächenbrände und Unsicherheiten auszulösen, den Fokus auf die Bekämpfung der negativen
Externalitäten der Krise zu legen und so weiterhin mitzuhelfen, dass Wirtschaft und
Gesellschaft möglichst rasch wieder Tritt fassen.


Besten Dank und freundliche Grüsse

Saskia Schenker, Landrätin
Präsidentin FDP Baselland
Luca Urgese, Grossrat
Präsident FDP Basel-Stadt
Martin Dätwyler, Landrat
Direktor Handelskammer beider Basel
Barbara Gutzwiller
Direktorin Arbeitgeberverband Basel
Christoph Buser
Direktor Wirtschaftskammer Baselland
Gabriel Barell
Direktor Gewerbeverband Basel-Stadt